Hausrotschwanz 2012: Ein Drama

Es kann auch mal schief gehen! 

Dass alles auch mal anders kommen kann, zeigt diese Geschichte, welche sich 2012 ereignete. Wiederum ein Hausrotschwanz brütete in einem meiner Kästen. Zuerst lief alles nach Plan. 


Die 2012-Brut startete ganz normal
Als die Jungen schlüpften und die Elternvögel sie fütterten, sah alles noch ganz normal aus. Da man die Altvögel optisch nicht unterscheiden konnte, war mir nicht klar, ob später nur noch ein Vogel die Nestlinge fütterte. Ich sah nämlich nie beide Vögel, ausser zu Beginn der Brutpflege!
Bei früheren Erfahrungen mit Blaumeisen, flitzten die Elternvögel quasi im Minutentakt daher. Da kreuzten sich die Altvögel schon mal beim Einflugloch. Hier war das anders. Es kam mir so vor, dass die Nestlinge nur sporadisch gefüttert wurden.
Trotz allem schienen sich die Jungen in den ersten Tagen stetig zu entwickeln. Schnell bekamen sie auch ihre Federn und in dem Nest wurde es langsam eng! So war das beobachtete Gerangel eigentlich verständlich. Erst viel später wurde mir klar, dass es einen anderen Grund hatte.






Schreck am neunten Tag: Eines der Nestlinge war aus dem Nest gefallen (oder gestossen worden) und lag nun im vorderen Teil des Nistkastens.
Blöderweise auch noch in Rückenlage und es kam einfach nicht mehr auf die Beine. Irgendwie kommt man sich da blöd vor, nicht eingreifen zu können. Das Kleine war wohl seinem Schicksal ausgeliefert, da es vom Altvogel nun weder gefüttert noch beachtet wurde.
Tja, nun war guter Rat gefragt. Eingreifen oder nicht? Ich fragte bei der Schweizerischen Vogelwarte um Auskunft und kriegte glücklicherweise sehr schnell eine Antwort, welche meinem Vorhaben entgegen kam.
Also wartete ich einen günstigen Moment ab, kein Altvogel weit und breit, griff in den Kasten und setzte den Kleinen zurück ins Nest. Das war in wenigen Sekunden erledigt.
Die Vögel zeigten dabei nicht etwa Angst, sondern öffneten ihre gelben Schnäbel, weil sie Futter erhofften.

Der Kleine war wieder bei seinen Geschwistern und alles lief wie gewohnt weiter. Trotzdem hatte ich Bedenken, weil der Vogel wohl etwas geschwächt war und sich deshalb vielleicht nicht mehr gegen seine stärkeren Geschwister durchsetzen konnte. Vermutlich war es das Nesthäkchen. Am folgenden Tag war ich erneut etwas beunruhigt, weil ich immer nur vier Schnäbel zählen konnte. Das Schwächste lag da wohl schon tot unter seinen Geschwistern. Doch es sollte noch schlimmer kommen!





Drama am elften Tag: Nachdem ich ja gewohnt war, dass die Jungen nur sporadisch während gewissen Zeitfenstern gefüttert wurden, kam es an diesem Tag noch schlimmer. Es liess sich kein Altvogel mehr blicken.

Ich hielt mehrmals Ausschau, ob wohl irgendwo einer auf dem Dach sitzt und seine typischen Laute abgibt. Nichts zu sehen, nichts zu hören. Tja und auch wenn, so wäre er wohl auf «gut zureden» hin, auch nicht wieder gekommen.

Die Jungvögel im Nest wurden dagegen mit ihrem Gefiepse immer lauter und reagierten beim entferntesten Geräusch eines Vogels. Ihre Verzweiflung war zu spüren. Sie brauchten dringend Futter! Zudem war es an diesem Tag ziemlich heiss.
Hoffnungsvoll blickten sie zum Einflugloch, aber kein Altvogel liess sich blicken. Es war eigentlich kaum zu glauben. Oder hatte ich den Altvogel einfach nie gesehen?
Am Abend rechnete ich mit dem Schlimmsten, es war hoffnungslos! Die Jungen waren wohl kurz vor dem Verdursten und hätten so den nächsten Morgen nicht mehr erlebt.
So entschied ich mich nun, umgehend etwas zu unternehmen. Es war höchste Zeit dafür! Glücklicherweise gibt es eine Vogelhilfe, wo man solche Vögel abliefern kann. Das konnte ich auf die Schnelle erfahren.
Ich rief dort an und schilderte die Situation. Wir einigten uns darauf, dass ich die Vögel am nächsten Morgen dort abliefern werde. Aber natürlich sollten sie noch Futter kriegen, um die Nacht überhaupt zu überleben. So suchte ich fleissig nach Insekten, Fliegen, Spinnen, was gar nicht so einfach war. Als ich dann den Vögeln mit einer Pinzette das erste Insekt anbot, machten sie zuerst noch keine Anstalten ihre Schnäbel zu öffnen. Aber nach einer knappen Minute reagierte eines und öffnete seinen Schnabel. Die Anderen folgten. Ich versuchte den Insekten-Vorrat fair zu verteilen. Danach sammelte ich nochmals Insekten für den nächsten Morgen.
Das Füttern ging eigentlich ziemlich einfach vonstatten und es war wohl eine beidseitige Freude.
Leider musste ich aber feststellen, dass das fünfte Junge tatsächlich bereits verstorben war und tot unter seinen Geschwistern lag. Herausnehmen konnte ich es nicht, da es mit seinen Füssen irgendwo hängen blieb. So blieb es
noch eine Weile an seinem Nest angekettet.





Am anderen Morgen fütterte ich zuerst die Vögel und entnahm danach das komplette Nest mit den Jungvögeln um es in eine Schachtel zu setzen. Danach fuhr ich damit zur Vogelhilfe.
Dort angekommen betreute man die Kleinen sofort. Zuerst wurden sie aus dem Nest genommen, in kleine Töpfe gesetzt und gewogen.
Dabei sahen wir auch erstmals, warum das tote Junge hängen blieb. Es war wohl eine sehr unglückliche Konstellation aufgetreten.
Die Altvögel schleppen öfters Haare ins Nest, um es damit zu polstern.
Zwei Nestlinge hatten sich mit einem längeren Haar oder Faden ihre Füsse völlig verwickelt. Das tote Junge hatte sich dann später auch noch darin verwickelt.
Rückwirkend denke ich, dass es wohl sogar ein Nylonfaden war. Vögel nehmen was sie finden und es sieht auch wie ein Haar aus.
Einem der Vögel wurde dadurch ein Fuß abgeschnürt und er starb ab. Der zweite Vogel verlor deswegen zumindest zwei Zehen. Diese Vögel hätten den Nistkasten also gar nie verlassen können. Das war wohl auch der Grund, warum die Jungen sich im Nest so unruhig bewegten.



Am Tag der Rettungsaktion wurde
 das Nest samt Nestlingen zur Vogelhilfe gebracht

Nun wurden die Jungen in ihren Töpfchen in eine Kiste gestellt. Die beiden Stärkeren hüpften aber bald darauf neugierig in der Kiste herum. So mussten sie in sicherheitshalber in einen Käfig umgesiedelt werden.

In der Vogelpflegestelle wurden sie nun aufgepäppelt und später wieder ausgewildert. Der Jungvogel mit einem Fuss ist leider verstorben. Die Verletzungen waren zu intensiv für ihn. Die anderen Drei konnten jedoch später wieder munter in die Freiheit entlassen werden.




Zuerst mal wurden sie gewogen.
Der aktivste Hüpfer musste hinter Gitter
Fazit: Es ist möglich, dass einem der Altvögel etwas zugestoßen war und der zweite Vogel deswegen die Brut aufgab, weil ihn die alleinige Fütterung überfordert hatte. Darauf deutet hin, dass ich nie zwei Alt-Vögel zusammen sah und die Fütterungs-Intervalle relativ gross waren.
Aber auch bei normaler Brutpflege hätten mindesten zwei der Nestlinge den Nist-Kasten gar nie verlassen können, weil sie zusammen «gekettet» waren. 

Mittlerweile hörte ich auch von anderen Fällen, wo die Nestlinge ihrem Schicksal überlassen wurden. Solche brutalen Vorfälle ereignen sich offensichtlich ab und zu in der Natur, aus welchen Gründen auch immer.

Ohne Kamera wäre mir das Schicksal dieser Brut wohl gar nicht aufgefallen. Vermutlich hätte ich eines Tages alle Jungvögel tot im Nest gefunden und mich gefragt, was denn da los war?
Immerhin konnten nun trotz der unglücklichen Situation drei der Nestlinge überleben.

In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass ohne die Vogelpflege-Station alles nicht möglich gewesen wäre. Eine gute Sache, welche von einigen Leuten mit viel Engagement betrieben wird. Der Bedarf an solchen Stellen auch in anderen Regionen wäre sicher vorhanden.









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